12.04.2017, Inn
Ein seltenes Naturschauspiel ist der massenhafte Schlupf von Eintagsfliegen. Mit etwas Glück kann man dieses Spektakel an manchen Tagen im März oder April am Tiroler Inn beobachten. Eine Vorhersage ist schwierig, als wichtige Bedingungen gelten ein markanter Anstieg der Wassertemperatur um zwei bis drei Grad sowie windstilles und eher trübes Wetter. Mehrere Tierarten nutzen das damit verbundene Überangebot an Nahrung, wie etwa Bachstelzen, Schwalben, Wildenten und Fische.
Auch für die Wissenschaft ist das Rätsel noch ungelöst: Was veranlasst zig-Tausende von Eintagsfliegen, nach ein bis zwei Jahren Larvenleben unter Wasser innerhalb weniger Minuten gleichzeitig ihr nasses Element zu verlassen? Mit "Schlupf" ist der Übergang vom Larvenstadium zur geflügelten "Subimago" gemeint. Unscheinbare, winzige Tierchen, die sich an der Unterseite von Steinen an der Flusssohle aufgehalten haben, schwimmen plötzlich an die Wasseroberfläche, streifen dort ihre Haut ab, entfalten zwei Flügelpaare und flattern in die Luft auf. Nach einer weiteren Häutung werden sie zur geschlechtsreifen "Imago", paaren sich flatternd in der Luft und sterben bald danach ab. Die Männchen fallen zu Boden oder aufs Wasser, die Weibchen legen an der Wasserfläche noch sterbend ihre Eier ab.
Als "Märzbraune" bezeichnen Fliegenfischer eine ganze Gruppe ähnlicher Arten, die allesamt im zeitigen Frühjahr schlüpfen. Am Tiroler Inn trägt sie den klingenden Namen Rhithrogena Gratianopolitana, die auch am Schweizer Alpenrhein und an der Steyr in Oberösterreich vorkommt. Eine zweite, etwas kleinere Art mit gelblichem Körper und eher blaugrauen Flügeln tritt oft gleichzeitig auf, ihr wissenschaftlicher Name ist Baetis Rhodani.
Für Fischer besonders aufregend sind jene Momente, wenn Forellen oder Äschen diese schlüpfenden Insekten an der Wasseroberfläche fressen. "Sie steigen!" heißt der elektrisierende Fachausdruck für dieses Verhalten, mit Trockenfliegen wird es imitiert. Eine besondere Eigenheit der Inn-Märzbraunen liegt darin, dass der Schlupf-Vorgang sehr oft scheitert. Zahllose Fliegen treiben dann zuckend im Oberflächenfilm oder sinken ins Wasser und werden von der Strömung mitgenommen. Auch sie sind eine begehrte Fischmahlzeit, imitiert werden sie mit Nassfliegen.
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